Hallo! Schön, dass Du mal wieder hier bist, denn wir müssen mal reden! Über diesen Skandal bei uns in der Gemeinde. Du weißt schon, die Sache mit der Gewerbesteuer! Falls Du allerdings hoffst, dass ich nicht öffentliche Dinge ausquatsche, dann muss ich dich direkt schon zu Beginn enttäuschen. Ich werde hier lediglich über die Dinge schreiben, die bereits in der Zeitung oder anderen Medien aufgetaucht sind. Fakt ist, dass die Staatsanwaltschaft in diesem Fall ermittelt und daher einige Dinge nicht mitgeteilt werden können oder dürfen. So sinnfrei auch ich das in manchen Teilen finde, die Entscheidung fälle dabei leider nicht ich.
Es wird sich viel darüber aufgeregt, dass es diverse Hinweise aus dem Kreis der Gewerbetreibenden gegeben habe, die schon früher verraten haben könnten, dass da was schiefläuft in der Verwaltung. Aber es hat sich niemand darum gekümmert. Unser Bürgermeister bemängelt, dass die meisten Hinweise von uns Ratsleuten anonym gewesen sind. So habe man auch gar keinen Anhaltspunkt zu überprüfen, immerhin gibt es ja gar nicht so wenig Gewerbetreibende in der Gemeinde. An dieser Stelle macht er durchaus einen Punkt, denn als ich so einen Fall bei der Verwaltung hinterfragt hatte, wusste ich selbst nicht einmal davon um wen es sich handelt.
Am Ende stellt sich heraus, dass diejenigen, die sich an Ratsleute gewandt oder sich gleich bei der Verwaltung informiert haben witzigerweise immer dieselben sind. Das ist allerdings eine überschaubare Menge Gewerbetreibender, die sich da gemeldet hat. Auch in den Medien (NWZ, JeWo) und sogar in der vergangenen Finanz- und Wirtschaftsausschusssitzung sind es immer dieselben, die sich zurecht darüber beschweren, dass sie diverse Male etwas gesagt haben.
Der NDR berichtete nach der Sitzung, dass 780 Bescheide in einem Zeitraum von elf Jahren nicht bearbeitet worden sind. Das bedeutet, dass eine Menge Betriebe betroffen gewesen sein müssen. Können wir bitte mal den Fokus auf diese Unternehmer*innen legen? Das Prozedere ist eigentlich relativ simpel: Das Finanzamt erstellt einen Bescheid, dieser geht an das Unternehmen und an die Gemeinde. Die Gemeinde erstellt daraufhin einen Gewerbesteuer-Bescheid für das Unternehmen und schickt ihn raus.
Der letzte Teil hat in 780 Fällen nicht geklappt, das heißt aber auch, dass die Unternehmen die Bescheide vom Finanzamt bekommen haben und allesamt hätten wissen müssen, dass sie Gewerbesteuern zu entrichten haben. Die Höhe ist ja durchaus bekannt in Sande. Bei der letzten Erhöhung, die übrigens noch vom alten Rat gemacht wurde, hat es unter den Gewerbetreibenden auch einen riesigen Aufschrei gegeben, die Filialen im Dorf wurden mit Protest-Plakaten verziert und Co. Ich erinnere mich, denn zu dem Zeitpunkt habe ich hier bereits gewohnt.

Wie viele Gewerbetreibende haben sich zu dem Zeitpunkt eigentlich schon gedacht „hihi, Ihr Loser, ich zahle diese Steuern gar nicht, obwohl ich weiß, dass ich es müsste!“ Zu einer ordentlichen Buchhaltung ist jedes Unternehmen verpflichtet, nicht nur gesetzlich, sondern auch, weil man doch keinen Blindflug hinlegen möchte. Ich sage es daher: Die meisten betroffenen Betriebe haben es gewusst und haben ganz wissentlich die Klappe gehalten. Eine Empörung an dieser Stelle steht also nur denen zu, die hier von einer kleinen Gruppe behuppst worden ist: Die Unternehmen, die ihre Steuern bezahlt haben, die super wenigen, die sich gemeldet haben, dass sie Steuern zahlen wollen, aber vor allem die über 8.000 Einwohner!
Die Führung der Verwaltung hat in diesem Fall klar versagt und damit meine ich unseren Hauptverwaltungsbeamten, auch Bürgermeister genannt. Sie wird in den kommenden Monaten viel Vertrauen bei den Bürger*innen zurückgewinnen müssen. Aber für mich ist in dieser ganzen Sache noch nichts wirklich aufgeklärt. Ich hinterfrage durchaus weiterhin, wie es dazu kommen konnte. War diese Mitarbeiterin überfordert? Liegt es am Arbeitsaufkommen? Liegen gesundheitliche Gründe vor? Etc. Das gilt es alles noch aufzuarbeiten. Aus diesem Grund bereite ich aktuell auch eine etwas umfassendere Anfrage an unseren Bürgermeister vor um hier ein allgemeines Versagen ausschließen zu können. Das ist unsere Aufgabe als Ratsleute und ja, vielleicht hat man sich hier an die Dorf-Idylle zu stark gewöhnt und vielleicht brauchen wir hin und wieder mal den Beef, den es in Wilhelmshaven gefühlt täglich gibt.
Übrigens, die cdU ist bereits im Wahlkampf-Modus. Die Partei hat einen Antrag gestellt, die Gewerbesteuer in zwei Schritten wieder zu senken. Ja klar, es ist ja eines der Wahlversprechen, die die cdU vor der Kommunalwahl 2021 gegeben hat. Ich glaub, da kannte man auch gar kein anderes Thema damals 😉 Nach der Wahl kam direkt der erste Haushalt für den neuen Rat und schwupps, hat niemand mehr darüber nachgedacht, es wäre ja auch kommunales Harakiri die Gewerbesteuer zu senken. Jetzt geht es auf die nächsten Wahlen zu und nun möchte man wohl wieder das Thema angehen. Der aktuelle „Skandal“ eignet sich argumentativ natürlich um das Ganze zu untermauern. Ich persönlich werde aber dagegen argumentieren:
Wir haben zuletzt nicht die Gewerbesteuer erhöht, sondern die Grundsteuern! Von dieser Steuer ist jede*r in der Gemeinde betroffen. Egal ob Eigenheim, Gewerbetreibender oder nicht. Mieter*innen zahlen sie über ihre Nebenkostenabrechnung, Eigentümer*innen ohnehin direkt und Gewerbetreibende ggf. doppelt (einmal für die Gewerbegrundstücke und ggf. das Eigenheim). Wenn wir also flächendeckend unsere Einwohner*innen entlasten wollen, dann geht dies nur über die Grundsteuer. Apropos: Die Finanzlage der Gemeinde wird durch Aufdecken des Skandals übrigens nicht besser. In den letzten Jahren hat sich die wirtschaftliche Prognose stets so geäußert, dass es mit dem Jahr 2026 ans Eingemachte geht.
Wir stehen nun kurz vor diesem Haushalt und wäre der Skandal nicht gewesen, so hätten wir bereits die erste Lesung des gehabt. Das wurde jetzt auf kommendes Jahr verschoben um die Kapazitäten zu haben, den aktuellen Skandal aufzuarbeiten und die Bescheide noch schnell fertig zu machen. Die Gewerbesteuer ist dabei immer ein Blick in die Glaskugel. Mit der Grundsteuer hingegen können wir sehr genau kalkulieren. Daher spricht alles dafür eher die Grundsteuer als die Gewerbesteuer zu senken.
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