Moin! Gestern habe ich noch gesagt, dass ich ein paar Themen aus dem Urlaub mitgebracht haben, die mich beschäftigen. Ich fange bei der „Aufarbeitung“ vermutlich grad hinten an und es ist ein Thema zu dem ich mich ja schon so häufig geäußert habe, aber ich kann es auch einfach nicht oft genug sagen, denn es ist schlimmer als ich bisher angenommen hatte.
Ich habe vor knapp drei Jahren mal davon berichtet, dass ich am Ems-Jade-Kanal eine kleine Gruppe Jugendliche getroffen habe, die laut Lieder der rechtsradikalen Bands „Störkraft“ und / oder „Landser“ gehört haben (ich kriege die Zuordnung nicht 100 %ig hin). Abgesehen davon, dass diese Songs meines Wissens verboten sind, muss ich aus heutiger Sicht sagen, dass ich einerseits falsch reagiert habe damals (es war eine emotionale Reaktion, die mag ich ohnehin nicht, egal wie verständlich sie ist) und andererseits, wie oben schon angedeutet, ein Problem völlig unterschätzt habe.
Könnte ich zurückreisen, dann würde ich mir für diese Kids etwas mehr Zeit nehmen. Ich würde zunächst versuchen mit Ihnen überhaupt ins Gespräch zu kommen bevor ich das Thema der Musik anschneide. Ich hätte gern gewusst warum sie diese Musik hören und ich hätte auch gern gewusst wo sie die her haben.
Ich bin in den 90ern eingeschult worden, ab der fünften Klasse ging ich auf das Geschwister-Scholl-Gymnasium in Winterberg. Ich gehe davon aus, dass die Geschwister Sophie und Hans Scholl allen meinen Leserinnen bekannt sind. Das Thema Nationalsozialismus hat mich in den paar Jahren auf der Schule immer wieder „verfolgt“. In meinen Augen damals etwas zu viel, aus heutiger Sicht würde ich sagen, dass es einfach viel zu theoretisch und abstrakt gestaltet wurde. Der einzige Moment, der mir als mit einem Kloß im Hals in Erinnerung geblieben ist, war ein kurzer Moment auf der Klassenfahrt auf die Wewelsburg.
Im direkten Umfeld an die Wewelsburg errichteten die Nazis damals das KZ Niederhagen. Vom KZ selbst haben wir zwar nichts sehen können, aber in der Wewelsburg gab es eine Führung mit spannenden Infos und Bildern zum Thema. Der Mensch, der diese Führung machte konnte uns dann sehr konkret vom Schicksal eines jüdischen Jungen erzählen, der aus dem Sauerland, also meiner Heimatregion, stammte. Der Junge, so unschuldig und verspielt, wie man in dem Alter nunmal ist, hat im Winter ein deutsches Mädchen mit einem Schneeball getroffen. Der Vater des Mädchens war bei der SS und ließ den Jungen abholen. Er wurde im KZ für sein „Vergehen“ erhängt.
Ich war ja selbst noch jung und hatte noch mehr Blödsinn im Kopf als heute. Ich erinnere mich nur zu gut, dass ich im Nachgang an diese Klassenfahrt noch ein Tadel nach Hause bekam und fast schon damit gerechnet hatte, dass ich frühzeitig abreisen müsse…. aber das ist eine andere Geschichte, die eher in die Kneipe passt und nicht in diesen Artikel.
Die Geschichte von dem Jungen, dessen Name und Wohnort und alles uns damals genannt werden konnte, hat sich bis heute entsprechend in mein Hirn eingebrannt. Aber wie gesagt, in all den Jahren war es auch das einzige Schicksal. Wir haben das Tagebuch der Anne Frank im Deutschunterricht gelesen, analysiert, diskutiert und am Ende sogar selbst ein Skript erstellt mit möglichen Dialogen und sehr nah am originalen Werk von Anne Frank ein Theaterstück erstellt. Mit Regieanweisungen und allem was dazu gehört. Selbstverständlich haben wir es dann in logischer Konsequenz auch eingeübt und aufgeführt.
Ich erinnere mich aber auch, dass damals „Juden-Witze“ sehr populär waren. Auch andere rassistische Witze waren sehr beliebt. Ich weiß auch, dass teilweise Musik von Störkraft und Landser die Runde machten. Damals bin ich das erste Mal über diese Songs gestolpert, entsprechend konnte ich sie am Ems-Jade-Kanal schnell erkennen. Überzeugt haben sie mich damals Gott sei Dank nicht, um so mehr habe ich mich allerdings über die Band „Pflanzer“ gefreut, die wiederum die Faschos aufs Korn nehmen und verarschen („Mein Opa war Popieker bei Rudolf Hess“ oder „Schwarzwild“, sau gute Songs auf die Melodien der rechten Songs).
Was ist im Urlaub geschehen?
Nun ja, eigentlich war es knapp nach dem Urlaub, aber ich habe ihn ja bekanntermaßen um eine „faule Woche“ verlängert. Ich werde ab hier mit einigen Informationen sehr sparsam umgehen, weil ich nicht möchte, dass Rückschlüsse auf die Identität des Menschen geschlossen werden können, mit dem ich gesprochen habe, ich bitte dies zu respektieren!
Vergangene Woche haben wir über (Ebay-)Kleinanzeigen Kontakt zu einem ehemaligen Selbstständigen aufgenommen, der aus seiner Geschäftsaufgabe ein paar Dinge verkauft hat. Wir haben uns am Wochenende also mit ihm getroffen um zu gucken, ob noch brauchbare Sachen im Fundus sind. Es war am Anfang schon rauszuhören, dass er bezüglich seines Geschäfts sehr viel Rassismus erlebt hat. Er war sogar gezwungen aufgrund früherer Vorkommnisse Kameras zu installieren um seine Schaufenster entsprechend abzusichern.
Er musste sich von unzufriedenen Kunden selbst im eigenen Geschäft rassistische Äußerungen anhören. Und hier sei mal eben gesagt, dass es scheißegal ist, ob sie unzufrieden aufgrund seines Services sind oder unzufrieden aufgrund der Gesamtsituation. Rassistische Beleidigungen gehen einfach mal grundsätzlich nicht! Sie sollten überall ein absolutes Tabu sein. Davon mal ab: Er war in einem Bereich selbstständig, wo er eigentlich auch nur hart zwischen den Stühlen hing und die Leute eigentlich eher sauer auf das System waren…
Bis hier war es schon hart mit anzuhören was er zu berichten hatte. Aber was dann zum Schluss kam, das haute mich echt um. Wir fragten ihn ob er denn hier in der Region bleiben wolle oder umziehen wird oder oder oder. Daraufhin erwiderte er, dass er Kids hat, die hier zur Schule gehen und dass er sie ungern aus ihrem sozialen Umfeld reißen möchte. Deshalb wird er zunächst hier in der Region bleiben. Aber er sagte auch, dass ihm die politische und gesellschaftliche Entwicklung wirklich Angst macht.
Wenn die AfD und Konsorten weiter so an Stärke gewinnen, dann sieht er langfristig keine andere Möglichkeit mehr als nicht nur die Region, sondern auch das Land zu verlassen. Er ist vor rund 40 Jahren hier nach Deutschland gekommen um zu studieren. Er hat seinen Abschluss gemacht und ist damals geblieben. Er hat hier seine Familie gegründet und seine Kinder in Deutschland geboren. Sie haben einen deutschen Pass und kennen nichts anderes als dieses Land.
Seine Kinder werden hier in Deutschland in der Schule rassistisch beleidigt! Das fängt mit vermeintlichen „Kleinigkeiten“ an, wie die unüberlegte Frage „wo kommst Du denn eigentlich her?“ … Naja, sie kommen aus Deutschland! „Ja ne, wo kommst Du EIGENTLICH her?“ … Ähm, noch immer aus Deutschland!!! Vielleicht wäre die Frage korrekt: Woher kommen Deine Vorfahren oder so, keine Ahnung, aber ich frage mich viel mehr: Was tut denn das zur Sache im Matheunterricht? Auch ein „für ein Ausländer richtig gut“ ist übrigens eine rassistische Beleidigung!
Obige unnötige rassistische Bemerkungen sind hierbei scheinbar auch auf Lehrkräfte zurückzuführen. Aus Reihen der Mitschülerinnen allerdings geht es auch deutlich weiter bis hin zu klaren Beleidigungen wie „Kanacke“ und Co.. Leute, ich habe ich nicht schlecht geguckt, als uns der gute Mann dies erzählte. Ich hatte nun wirklich gehofft, dass zumindest hier bei uns die Schulen frei sind von diesem Rassismus. Oder zumindest, dass die Lehrkräfte gut geschult sind und bei solchen Dingen reagieren. Aber ich scheine mich geirrt zu haben.
Wohin entwickelt sich das noch?
Ich habe wirklich Angst! Ich habe von Zeitzeugen gehört wohin dieser Hass führt, ich habe viele Orte des Terrors besucht und mir ein Bild gemacht. Wir steuern auf ein ganz großes Problem zu und müssen es dringend lösen! Aber wie?
Ost-Bashing hilft uns übrigens auch nicht. Ich habe neulich ein recht interessantes Video vom „Parabelritter“ gesehen, der selbst in den „neuen Bundesländern“ lebt und aufgewachsen ist. Er hatte in diesem Video ein paar sehr spannende Theorien, die ich als Teil des Großen und Ganzen definitiv so anerkenne. Aber ich denke auch, dass es noch deutlich tiefer geht. Wichtig ist aber vor allem, dass wir diese bekackte Teilung des Landes endlich mal aus unseren Köpfen kriegen!
Genau so hat die PARTEI damals doch angefangen. Deshalb heißt es dort doch immer wieder „wir bauen eine neue Mauer“… Die Satire damals dahinter war es doch aufzuzeigen, dass wir auch Jahre nach der Teilung Deutschlands noch immer diese dämliche Mauer in unseren Köpfen haben.
Nach der Wiedervereinigung hatten sie drüben ja wirklich nichts, denn es gehörte ja auch niemandem wirklich irgendwas. Alles waren landeseigene Genossenschaften, etc.. Und was passierte dann? Der Westen kam und riss sich das auch noch alles unter den Nagel. Ich hadere extrem mit dem Lobbyismus und der Bestechlichkeit unserer Politiker….. ach ne, offiziell sind sie ja gar nicht bestechlich, zumindest nicht im Sinne der Definition, sonst wären sie ja längst verurteilt und auch ein Bubi wie Amthor wäre endgültig weg. Aber sei’s drum, in meinen Augen ist das alles Bestechlichkeit.
Genau dieser Lobbyismus war es doch, der dann die Reste der DDR schön zerfleddert und unter sich aufgeteilt hat. Vieles wanderte ab, Fabriken wurden geschlossen und bis zuletzt gab es Unterschiede im Verdienst, Rente und Co…. Die von uns so gepriesene Demokratie, die seit Jahren stark brökelt, ist im Osten unseres Landes leider nie wirklich angekommen.
Man wählt keine Faschisten!
Das ist so! Auch die Memes, dass man in der Kneipe auch nicht aus dem Klo trinkt, wenn das Bier nicht schmeckt, sind alle absolut korrekt! Also nein, versteht mich bitte mit den obigen Worten nicht falsch! Verständnis habe ich dafür nicht, aber ich glaube, dass wir mit weiteren Vorwürfen und Spaltungen im Kopf nicht wirklich weiterkommen. Die großen Parteien, die regierenden Parteien vor allem, haben eine sehr große Verantwortung. Aber der Merz kippt im Papen-Style weiter Öl ins Feuer und die anderen genießen den Lobbyismus und freuen sich über die dicke Kohle. Widerlich…
Die AfD ist offen rassistisch und schon längst ein Beobachtungsfall für den Verfassungsschutz. In dieser Rolle und mit zunehmender Öffentlichkeit schaffen sie es, dass Rassismus auch öffentlich immer weiter salonfähig wird. Sie sind Brandstifter und mordsgefährlich.
Aber bitte lasst uns versuchen eben diese Menschen wieder irgendwie abzuholen. Sie wählen ihren Henker ja selbst… Es hilft uns nichts wenn wir uns darüber nur lustig machen. Den Menschen wird Neid und Missgunst eingeimpft weil sie nichts haben. Dann heißt es, „dass der Asylant die Kohle bekommt“, die der Bürgergeld-Empfänger gerne hätte und ZACK, aus Frust und Verdruss und Co wählt er die AfD…. Aber was macht die denn wenn sie an die Macht kommt? Joar, sie wirft den Schutzsuchenden aus dem Land und kürzt dem Bürgergeld-Empfänger dennoch die Kohle.
Sorry, aber der AfD seid Ihr total egal, die wollen nur Eure Stimme. Wie sie mit Euch umgehen werden, dass seht ihr in ihren Wahlprogrammen und was Rechtsradikale politisch umsetzen seht Ihr nun auch in Italien. Per SMS wurden die Menschen darüber informiert, dass sie keine Sozialhilfe mehr erhalten und stehen nun da mit ihrer Kunst….
Oh man, ich habe so mega viel Unverständnis dafür! Aber ich werde weiterhin versuchen mit jedem zu reden, solange dies mit Argumenten und vernünftigen Quellen machbar ist. Ich hoffe, dass die Politik endlich mal Verantwortung übernimmt, aber da sehe ich aktuell eher schwarz. Dennoch werde ich weiter kämpfen, gegen Rassismus, gegen Nazis, gegen die AfD und gegen Hass und hetze!
Bitte unterstützt mich dabei!
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