Vorwörtchen – Rückblick – Dings
Also mal ganz ehrlich: Eine Gruppe mit den Grünen und der FDP zu machen war eindeutig die richtige Entscheidung. Warum? Naja, die Diskussionen innerhalb der Gruppe finden auf einem sehr gutem Niveau statt und wir können vertrauensvoll zusammenarbeiten. Aber vor allem kommt immer wieder aus egal welcher Richtung eine gute Idee oder ein klasse Impuls.
Unabhängig von landes- oder bundespolitischen Parteien-Ausrichtungen versuchen alle von uns das Beste für die Gemeinde einerseits, aber auch für den Klimaschutz und Co zu bewirken. Einer unserer letzten Anträge ist nun bereits im Fach-Ausschuss gescheitert. Im Regelfall scheitern solche Anträge im Nachgang auch im Verwaltungsausschuss (VA). Warum ich das besonders erwähne? Nun ja, wir haben da so ein kleines Problem:
Bisher ist es so, dass niemand über diese Beschlüsse aus dem VA berichtet. Der VA als Hauptausschuss tagt grundsätzlich nicht öffentlich. Bei vielen Beschlüssen hat dies auch seinen Grund, so ist der Schutz persönlicher Daten, beispielsweise bei Bewerbern in der Verwaltung, ein höheres Gut als die Neugier der Bevölkerung. Dennoch verenden dort ja immer wieder öffentliche Themen, wie beispielsweise „unsere“ Baumschutzsatzung. Im Fachausschuss wurde zwar noch öffentlich debattiert, aber eine finale Meldung „Das Ding ist vom Tisch“ gab es nirgendwo. Somit verebbt an dieser Stelle auch die öffentliche Debatte.
Aus dem VA darf nur der Hauptverwaltungsbeamte, also unser Bürgermeister, berichten. Da haben wir nun die Krux: Das Thema ist zwar öffentlich, aber da sie im VA besprochen wurden heißt es „Schnauze halten!“. Es führt also gar kein Weg herum: Der Bürgermeister muss mal was darüber sagen. Beim Tippen dieser Worte habe ich nun übrigens gedacht: Das kann man doch gewiss auch ändern… nun ja, stay tuned, ich habe nämlich eine Pause gemacht und einen Antrag formuliert. Dieser geht nun durch die Gruppe (Standard-Verfahren) und wird in Kürze diskutiert.
Aber nun endlich zum Thema!
Unser Antrag auf Anschluss der Kommune an das Bündnis „Lebenswerte Städte und Gemeinden durch angepasste Geschwindigkeit“
Am 31. Mai 2023 wurde einer unserer Anträge im Ausschuss für Straßen, Wege und Feuerlöschwesen beraten. Es ging uns darum, dass wir der Städteinitiative „Lebenswerte Städte und Gemeinden durch angepasste Geschwindigkeit“ beitreten. Was das ist, könnt Ihr im Detail auf dessen Website nachlesen, diese findet Ihr hier. Grob gesagt geht es hierbei um nichts anderes als dass sich die Unterstützer der Initiative dafür aussprechen, die Geschwindigkeit im eigenen Ort selbst bestimmen zu dürfen. Nichts anderes! Also im Grunde mehr Unabhängigkeit und Selbstbestimmung für die Kommunen.
Warum ist das notwendig? Nun ja, in Sande kennen wir ja alle unsere schöne „neue“ rote Fahrbahndecke zwischen Rathaus und Marktplatz. Ich hatte das in den sozialen Netzwerken auch mal belächelt, mich dann aber damit beschäftigt und den Kniff verstanden. Am Rande: Mit Hinsicht auf unsere klammen Kassen finde ich die allgemeinen Maßnahmen am Rathaus zu der Zeit noch immer unnötig. Auch wenn es Zuschüsse gab, somit also Sonderposten gebildet werden konnten und die Maßnahme investiv gewesen ist, hängt da noch etwas mehr dran, aber dazu in Kürze zwei Folgen im Podcast, wo ich auf Kameralistik und Doppik im kommunalen Rechnungswesen eingehen werde.
Unsere Hauptstraße ist eine Kreisstraße und das macht Tempo 30 schwer: Grundsätzlich gilt innerorts die Maximalgeschwindigkeit von 50 km/h. Das ist soweit erstmal gesetzt und alles andere bedarf einer Ausnahme. Bei Straßen, die nicht dem überörtlichen Verkehr dienen (Wohnsiedlungen, etc.) können sogar 30er-Zonen eingerichtet werden. Bei Kreis-, Landes- oder Bundesstraßen ist es nicht einmal so einfach möglich Tempo 30, also ohne diese Zonen, auszuweisen (§45 Abs.1c sowie Abs. 9 StVO). Na so ein Mist aber auch….
Mit der baulichen Maßnahme wurde dies durch weitere Ausnahmen und Co allerdings möglich. Also ja: Der rote Asphalt ist pille palle, aber hier war er mitunter Mittel zum Zweck! Und der war ein Guter!… Und noch eine weitere Lanze muss ich hier brechen: Der neue „Lebensmittelpunkt“ für Sande (ich nenne es nun so) wird insbesondere im Sommer und vor allem von Jugendlichen sehr gut angenommen! Es sitzen dort regelmäßig junge Menschen, hören Musik, labern und vor allem: stören keinen (das nur als Hinweis für all die Nörgler und Miesepeter, die sich immer aufregen, wenn sich Jugendliche irgendwo treffen).
Die Maßnahme war dann also ein nerviges Zusammenspiel zwischen Kreis und Gemeinde und vermutlich war die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr in Aurich auch noch involviert. Wir wissen alle: Je mehr Behörden desto Fax! Nervig eigentlich, denn WIR leben hier in Sande, WIR wollen unser Dorf gestalten dürfen, WIR wollen Zentren und Begegnungsorte schaffen. Wer kennt unsere Gemeinde denn besser als wir?
Und genau das ist Sinn dieser Initiative! Eben diesen o. g. Aufriss erleichtern und den Gemeinden die Vollmacht geben ihre Orte selbst zu gestalten und die Geschwindigkeit so anzupassen, wie sie es vor Ort benötigen. Die Teilnahme bedeutet auch nur, dass wir uns damit solidarisieren und uns dieser Forderung anschließen. Nichts anderes!
Warum wird das eine Tempo-30-Debatte?
Und nun wird es witzig! Das Protokoll der Ausschusssitzung könnt Ihr hier einsehen. Frank und ich haben aber auch schon im Podcast darüber gesprochen, denn Frank sitzt für unsere Gruppe im entsprechenden Ausschuss. Hört Euch die Folge sonst gern mal hier an. Ich möchte hier aber noch etwas weiter gehen als Frank es im Beitrag tat. Wir haben uns dort am Antrag orientiert und wie ich hier bisher geschrieben habe: Es geht nicht um ein generelles Tempolimit von 30 km/g innerhalb von Ortschaften! Es geht darum eventuelle Geschwindigkeitsbegrenzungen selbstbestimmt aufzustellen.
Wieso also wird vom Rest des Rats eine Debatte über Tempo 30 geführt? Aber egal, ich sagte ich gehe hier einen Schritt weiter und greife diese Diskussion nun doch auf! Immer mit dem Hinweis: Darum ging es doch gar nicht!! Also, ein Blick ins o. g. Protokoll:
„Ein Ausschussmitglied stellte gab an, dass es für die Gemeinde nicht sinnvoll wäre, sich dem Bündnis anzuschließen, da Sande ausreichend viele Tempo 30 Zonen hat.“
1:1 aus dem Protokoll der Sitzung übernommen!
Ich war in der Sitzung nicht anwesend, ich kann also nicht sagen wer das dort meinte, aber ich finde es schon granatenstark. Wie definiert man denn „ausreichend viele Tempo 30 Zonen“? Geht es nun um Quoten? Oder haben Tempo-30-Zonen nicht einen Sinn? Zum Beispiel die Wohn- und Lebensqualität zu erhöhen, die Sicherheit für Kind und Kegel… Ach ja: Ne Tempo-30-Zone ist wie oben angemerkt ohnehin nochmal n bisschen was anderes. Also wenn ich diese Aussage mal eben bewerten darf: So einen Käse habe ich selten gehört xD
Ein weiteres Ausschussmitglied merkte an, dass die StVO gerade dazu da ist, damit der Verkehrsfluss auf den Straßen optimal läuft. Eine Änderung der StVO auf Selbstbestimmtheit des Tempos auf Straßen durch die Kommunen könnte den Verkehrsfluss behindern.
Aus dem Protokoll
Die StVO ist also der Garant für guten Verkehrsfluss! Deshalb ist sie heilig und darf niemals angefasst werden. Dogmatische Gesetze in Autoland würde ich sagen… Ihr kennt ja sicherlich alle unsere Hauptstraße in Sande: Eine mega breite Straße, nicht fahrradfreundlich und überall stehen Autos am Straßenrand (wozu eigentlich?). Es gibt diverse künstliche Verengungen dadurch. Die eine beginnt, kommend aus Schortens, kurz hinter dem NWK Sanderbusch und zieht sich an der Sander „Fressmeile“ vorbei bis zur Einbiegung „Am Markt“. Zu sehen: Zig Autofahrer (und jetzt gendere ich mit Absicht nicht), die mit der Größe ihres PKW inzwischen gar nicht mehr klar kommen. Vom kleinen Fiat Punto bis hin zum fetten SUV denken scheinbar alle sie fahren einen Panzer.
Hinzu kommen Fahrer, die nicht unbedingt im Verkehr antizipieren oder vorausschauend fahren. Das sind dann die auf der Seite ohne parkende Autos, die sich lieber an der Mittellinie orientieren, damit sie den Weg geradeaus auch noch finden. Ich selbst fahre dann immer dichter an den Rand rechts, denn die Straße in Sande ist extrem breit und es passen locker drei Autos nebeneinander! Überall, außer da, wo Parkstreifen sind, aber parken in zweiter Reihe ist eh verboten und ähm…. Moment, da passt ein Parkstreifen hin und da schaffen es dann doch alle normal dran vorbei zu fahren? Verrückt, oder? xD
Nun ja, es jetzt aber so, dass der Verkehr hier einfach stockt! Die Leute bleiben stehen, sie warten oder im Idealfall fahren sie vorsichtig und langsam (das ist absolut okay) am parkenden Auto vorbei und arrangieren sich mit dem Gegenverkehr. Nice!
Wie war das nun also mit dem Verkehrsfluss mit Tempo 50? Gibt es den in Sande überhaupt? Ich wage zu behaupten, dass es den höchstens an Feiertagen, Sonntags oder nachts gibt, aber gewiss nicht am Werktag. Welchen Einfluss hätte also Tempo 30? Na klar: Einen positiven Einfluss auf den Verkehrsfluss. Witzig oder? Da sind wir nämlich wieder beim eigentlichen Thema: Die Gemeinden wissen doch vor Ort viel besser was dem Verkehrsfluss hilft. Davon ab: Wenn wir selbst bestimmen dürfen, dann dürfen wir auch bestimmen einfach gar nichts zu ändern 😉 Völlig verrückt diese Selbstbestimmung….
Die CDU Fraktion gab an, dass die Initiativen für Verkehrsbewegungen ein Ende haben müssen.
Aus dem Protokoll
Japp, nach dem Zitat (ich dachte ja oben schon dümmer kann es eigentlich nicht werden) musste ich auch erstmal ins Protokoll gucken, wer für die cDU überhaupt im Ausschuss sitzt. Tipp für Euch: Steht im Protokoll, ganz am Anfang!
Muss ich dazu noch etwas schreiben oder erklärt sich die Dummheit dieser Aussage schon von selbst? Nun ja, ich erspare es mir, sonst rege ich mich noch auf 😉
Die Verwaltung erklärte, dass zum Beispiel die Einrichtung eines generellen Tempolimits von 30 km/h auf der Hauptstraße von der Feuerwehr abgelehnt wird, da sonst die Feuerwehrleute bei einem Einsatz mit Tempo 30 zur Wache fahren müssten. Die Verwaltung erklärte zudem, dass die Planung für die Umgestaltung der Hauptstraße vom Landkreis bald vorgestellt wird und dieses abgewartet werden sollte.
Aus dem Protokoll
Diesen Beitrag der Verwaltung muss ich jetzt natürlich splitten: 1. Die Feuerwehr-Kameraden und 2. die Umgestaltung der Hauptstraße:
1. Einsatzfahrten
Ich war selbst über Jahre in einer HiOrg tätig und habe damals eine Unterrichtung durch einen Beamten des Verkehrskommissariats zu Einsatzfahrten erhalten. Es ist tatsächlich so, dass ich im Einsatz nicht einfach sagen kann „Geil, blaues Licht macht glücklich, nun komme ich und alle anderen haben Pech“… Auch in einer Einsatzfahrt muss das Fahrverhalten angepasst sein. Natürlich habe ich mit dem Blaulicht auf dem Dach (wenn es denn an ist) Wegerechte und darf die Geschwindigkeit übertreten oder über eine rote Ampel fahren, aber ich muss es vorsichtig machen! Ich darf mich nicht darauf verlassen, dass jeder das Horn hört oder das Licht sieht und mir automatisch die Kreuzung frei räumt.
Kommt es also zum Unfall, dann trage ich dennoch die Schuld. Natürlich wird nun darauf geachtet, wie ich mit dem Einsatzfahrzeug über die Ampel gefahren bin und natürlich kann ich belangt werden, wenn ich das unachtsam getan habe! Aber okay, Ihr meckert innerlich gewiss schon weil ich über das Einsatzfahrzeug spreche. Die Verwaltung meinte ja den Weg im privaten PKW zur Feuerwache.
Japp, stimmt, mit dem privaten PKW habe ich kein Blaulicht auf dem Dach. Es gilt also noch mehr aufzupassen, aber: Ich darf auch mit dem privaten PKW auf dem Weg zum Einsatzfahrzeug die Geschwindigkeit im angemessenen Rahmen übertreten. Genau definiert ist das zwar leider nicht, aber das OLG Karlsruhe hat in seiner Rechtsprechung für eine Orientierung gesorgt: 28 km/h innerorts.
Wie oben schon beschrieben geht es in Sande ohnehin nicht wirklich schnell voran. Welchen Einfluss hat das nun also? Überholen war schon immer sehr schwierig bis gar nicht möglich und wäre für den Feuerwehrmann im Privat-PKW bei Tempo 50 ein noch viel größeres Risiko als mit Tempo 30. Vielleicht tun sich hier also eher Chancen auf…
2. Umgestaltung
Zur Umgestaltung der Hauptstraße kann ich nur sagen: Ja und? Beantragen wir hier grad Tempo 30 für Sande? Nein Leute, wir wollen doch nur einer Initiative beitreten, die uns die Selbstbestimmung erkämpfen möchte. Mehr ist das doch gar nicht. Aufgewacht und mitgemacht, liebe Verwaltung. Wir müssen da gar nichts abwarten, ganz im Gegenteil, je früher desto besser!
Alles in allem kann ich nur feststellen, dass hier nicht mit Argumenten in eine Diskussion gegangen werden sollte, sondern einfach nur fadenscheinige Vorwände benutzt wurden. Wie Frank im Podcast schon richtig festgestellt hat: Die anderen Ratsleute sehen „Verkehr“ nur als Auto-Thema. Sie ignorieren Fußgänger, Radfahrer, E-Scooter-Fahrer und Co. Diese meist ökologischeren Varianten kommen dort wohl leider nicht vor.
Die Entscheidung des Ausschusses ist wirklich enttäuschend. Aber ich freue mich, dass so viele andere Gemeinden bei dieser Initiative bereits dabei sind! Jever zum Beispiel oder Norden, Emden, Oldenburg, Hude und nun ganz frisch: Edewech. Dort gab es durch alle Gruppen und Fraktionen eine große Zustimmung. Lest hier einfach mal selbst nach.
Für Sande wurde dank sPD, cDU/WG und Verwaltung leider eine große Chance vertan. Aber nun gut, verstehen muss man das nicht. Wir bleiben am Ball! Danke für Eure Aufmerksamkeit 🙂
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