Am gestrigen Donnerstag fand im evangelischen Gemeindehaus die dritte Ratssitzung des aktuellen Rats statt. Der größte Fokus dürfte an diesem Tag wohl auf dem Haushalt des laufenden Jahres 2022 und den damit verbundenen Haushaltsreden der Fraktionen gelegen haben. Der Antrag von BfS und cDU, den Aufstellungsbeschluss für das Sander Wäldchen rückgängig zu machen, rutschte vermutlich auch aufgrund dessen, dass er weitestgehend obsolet wurde, in den Hintergrund.
Der jährliche Haushaltsplan stellt im Grunde immer wieder die Weichen für die Projekte des (eigentlich) kommenden Jahres. Wegen der Ende des Jahres 2021 stattgefundenen Wahl und der Ungewissheit, wie die politische Situation danach aussehen wird, war es nur fair, diesen Haushalt auch in die Periode des neuen Rats zu verschieben. Nun ja, es ist vermutlich grundsätzlich erstmal die richtige Entscheidung, hat uns allerdings auch tüchtig den Allerwertesten gerettet, wenn man sich die Historie der Lesungen ansieht.
Was bisher geschah
Zu Beginn des Jahres wurde uns in der ersten Lesung von der Verwaltung ein noch nicht ausgeglichener Haushalt vorgelegt. Knappe 500.000 Euro groß war das Loch, dass es zu stopfen galt. Die Verwaltung bat die Politik um Vorschläge. Entweder müssen also zusätzliche Einnahmen in Höhe von 500.000 Euro generiert werden (Spoiler-Alarm: Gar nicht so einfach für eine Gemeinde) oder aber wir müssen an irgendeiner Stelle diese 500.000 einsparen.
Ich erinnere an die Beratungen für das Jahr 2021! Plötzlich gab es die Möglichkeiten geplante Ausgaben mit Förderungen zu flankieren und schon rutschte die gesamte Maßnahme in den großen Topf der Investitionen. Hurra! Ein tolles Feature der Doppik. Man klopfte sich auf die Schulter und freute sich über einen ausgeglichenen Haushalt. Und dennoch: Das Damokles‘ Schwert der Überschuldung kreiste weiterhin über der Gemeinde.
In diesem Jahr ist die Situation noch etwas gravierender. Im vergangenen Jahr konnte im Rahmen der Umschuldung tatsächlich noch über Plan hinaus getilgt werden, weil genügend liquide Mittel zur Verfügung standen. In diesem Jahr mussten wir für unsere Investitionen, die dringend nötig sind, eine hohe Kreditermächtigung erlassen. Natürlich ist dies nur eine Ermächtigung und wenn wir Glück haben müssen wir nicht die knapp über 3 Millionen Euro an Krediten aufnehmen. Das ist (kurz und salopp für das Verständnis) immer abhängig wie viele liquide Mittel im Moment der Fälligkeit auf dem Konto liegen.
Diese leider notwendige Maßnahme wird das Schwert nicht von der Decke holen 😉
Aber wie ging es nun weiter? Die Fraktionen und Gruppen gingen in ihre Haushaltsberatungen, guckten, schoben Zahlen hin und her und vermutlich waren alle am fluchen wie ein Rohrspatz. Doch pünktlich zur zweiten Lesung trudelte dann ein neuer Gewerbesteuer-Bescheid bei der Gemeinde ein. Auf Knopfdruck konnte die Prognose und somit der Ergebnishaushalt um satte 700.000 Euro nach oben geschraubt werden.
Aus einem „verdammt, wo bekommen wir nun 500.000 Euro her“ wurde ein „Hey, was machen wir denn jetzt mit den zusätzlichen 200.000? Die Verwaltung hatte auch gleich schon einen Wunsch: Wir stecken es in unsere Straßen.
Auch meine Gruppe, bestehend aus den Grünen und der FDP (und natürlich mir), stellte sich dieser Frage. Uns ist dabei allen klar, dass wir stetig in unsere Straßen investieren müssen. Dank „Eagle Eye“ haben wir eine relativ gute Übersicht darüber und wissen auch in welcher Reihenfolge sie instand gesetzt werden sollten. Hinsichtlich dessen was kommt, wäre es uns am liebsten gewesen die Gemeinde für die Zukunft auf zumindest etwas sicherere Beine zu stellen.
Die Verwaltung hatte im ersten Haushaltsentwurf bereits eine Strategie für unser Invest in die Straßen aufgestellt. Dass nicht zu knapp kalkuliert wurde bei diesen Planungen erkennen wir auch daran, dass uns eben kein ausgeglichener Haushalt präsentiert werden konnte. Wir erinnern uns, fast 500.000 Euro waren offen.
Darüber hinaus brachten wir unsere Spielplätze ins Gespräch. Die bisher angesetzten jährlichen 12.500 Euro lassen relativ wenig Luft die Plätze nachhaltig zu entwickeln. Außerdem wurden in den letzten Jahren immer wieder Spielplätze abgebaut und als Bauland verkauft. Auch hierzu gab es in der Vergangenheit viele öffentliche Debatten. Unser Wunsch ist es in die Attraktivität der Spielplätze zu investieren, damit die Lebensqualität junger Familien in unserer Gemeinde steigt.
In der zweiten Lesung des Haushalts ging es, wie bereits angemerkt, also gar nicht mehr darum, wie wir 500.000 Euro finden, sondern wie wir nun 200.000 auf den Kopf kloppen. Ich begann und machte unsere Vorschläge. Die sPD wollte 100.000 in Sportstätten (Cäci und Neustadtgödens) investieren, die Wählergemeinschaft fand unsere Idee mit den Spielplätzen charmant, aber präferierte ansonsten durchaus auch das Invest in die Straßen.
Wie konnte es nun gelöst werden? Die Ausschusssitzung wurde seinerzeit unterbrochen, damit die Gruppen in die Beratung gehen können. Ich verhandelte gemeinsam mit Frau Pöppelmeier mit der WG und cDU (letztere wollte das Geld gern in die Straßen geben). WG und wir haben durchaus anerkannt, dass ein Invest in die Sportstätten sinnvoll ist, sahen aber auch, dass es noch gar keine Überprüfung über evtl. entstehende Kosten gäbe. Auch war unser Eindruck, dass Neustadtgödens priorisiert werden sollte.
Ein guter Kompromiss sollte stets von allen getragen werden können. In unsere Verhandlungen ließen wir also die Idee der sPD durchaus mit einfließen und so schlugen wir am Ende gemeinsam vor, dass wir das Etat der Spielplätze auf 20.000 Euro erhöhen, 50.000 Euro in die Sportstätten stecken und den Rest in die Straßen. Das Ergebnis: Ein einstimmig beschlossener Haushalt!
Die Ratssitzung
Die inhaltliche Arbeit am Haushalt war also abgeschlossen und alle Fraktionen und Gruppen konnten mit einem relativ guten Gewissen in die Ratssitzung gehen. Aber wie bereits gesagt, geht es beim Haushalt doch um so viel mehr! Er ebnet den Weg für die Zukunft und mit ihm verknüpft wird stets eine Rede, die auf die Vergangenheit blickt und die Zukunft skizziert.
Den Anfang durfte die größte Ratsfraktion machen: Die sPD. Frau Ramke trug die Rede vor und betonte, dass die Mehrheitsverhältnisse andere geworden seien und stellte (mit Recht) fest, dass diese offenen Verhandlungen dazu geführt haben, dass Sande erstmals seit Jahren vermutlich einstimmig einen Haushalt beschließen würde.
Eines konnte sich die sPD leider nicht nehmen lassen: Man musste betonen, welch gute Vorarbeit man in den letzten Jahren bereits geleistet habe. Eine spannende Wahrnehmung der Realität, aber auch das gestehe ich der sPD-Fraktion zu. Man muss sich nach über 60 Jahren auch erstmal an die neue Situation gewöhnen. Ich bin mir aber sicher, dass auch die sPD sich an die neue Situation gewöhnen wird und gute Ideen einbringen wird. Meinerseits biete ich für solche Ideen auch gern meine Unterstützung an. Kommt auf uns zu, wir können gern reden 🙂
Ein wenig klang alles nach Frieden, Freude, Eierkuchen. Aber einen Seitenhieb zur cDU, die im alten Rat eher mit wildem Schließungs- und Einsparwillen auffiel, konnte sie sich nicht verkneifen.
Im Anschluss ging es mit der Wählergruppe weiter, die laut eigenen Worten zwar für die Gruppe, also auch cDU sprach, aber nun ja, letztere hat es sich nicht nehmen lassen dennoch zu sprechen um auf die o. g. Spitze zu reagieren. Herr Lührs erwiderte, dass man in Zukunft noch gewiss über Einsparungen reden werde… Harren wir der Dinge, ein wenig klang das wie eine Kampfansage.
Herr Tschackert jedoch führte für die Gruppe aus und versuchte uns vor der 3. Wiederholung sämtlicher Zahlen aus dem Haushalt zu verschonen, die wir zuvor schon vom Bürgermeister gehört hatten und von Frau Ramke nochmals aufgezählt wurden. So kürzte er spontan seine Rede, was sie recht holprig machte, aber das tat ihr keinen Abbruch. Herr Tschackert betonte, dass die Situation für die Gemeinde nicht sehr berauschend ist.
Und so kommen wir auch schon zur Haushaltsrede unserer Gruppe. Kurz und knapp hat Frau Zaage in unserem Namen der sPD deutlich widersprechen müssen, was die Harmonie und den ausgeglichenen Haushalt angeht. Ja, wir haben einen Ausgleich erzielt, aber wenn wir ehrlich sind: Schon wieder sind wir von außen gerettet worden (dieses Jahr die erhöhten Gewerbesteuer-Einnahmen). Darüber hinaus leisten wir uns allerdings eine Sozialstation, für die die Verwaltung nicht einmal nachvollziehbar erklären könne, warum die Situation so ist wie sie ist.
An dieser Stelle ist es mir wichtig, die gesprochenen Worte von Frau Zaage nochmal aufzugreifen und in den richtigen Gesamt-Zusammenhang zu bringen:
Das Thema Sozialstation wird uns in den nächsten Monaten gewiss weiterhin begleiten. In den letzten Jahren ist zu bemerken, dass die Defizite immer weiter steigen. In der letzten öffentlichen Ratssitzung haben wir aus gutem Grund die Entlastung des Bürgermeisters verweigert. Aber warum eigentlich?
1995 kam ich in die fünfte Klasse des Geschwister-Scholl-Gymnasiums Winterberg. Ab der fünften Klasse hatte ich das Fach Erdkunde. Neben den geographischen Themen, die wohl jeder damit assoziiert, geht es auch um wirtschaftliche Themen. Mein damaliger Lehrer prophezeite aufgrund des demographischen Wandels, den wir uns damals schon angesehen haben, dass nach der Industrialisierung und dem derzeit voll im Gang befindlichen Strukturwandels hin zur Informationstechnologie und Co, der nächste Wirtschafts-Boom in der Pflege zu erwarten sei.
Okay, zunächst einmal ist dieses Thema aus heutiger Sicht bundespolitisch gegen die Wand gefahren worden und jetzt reden wir nicht mehr über einen Wirtschafts-Boom, sondern über Pflegenotstand. Aber dennoch ist eines Fakt: Im Bereich der Pflege kann man eigentlich keine Miesen machen. Sonst gäbe es nicht so viele private Pflegedienste. Der Bürgermeister begründet in diesem Zusammenhang (siehe 2. Ratssitzung) gern mit den hohen Personalkosten aufgrund des TVÖD.
Diese These wurde allerdings von Herrn Dumke ebenfalls in der letzten Ratssitzung widerlegt. Die Gehälter bei den privaten Anbietern sind eben nicht deutlich geringer. Nun gut, nicht bei allen, sagen wir es so, aber ich habe mal etwas recherchiert und kann Herrn Dumkes Aussage bestätigen.
Ich persönlich bin voll davon überzeugt, dass sich eine Gemeinde und die öffentliche Hand durchaus im Pflegebereich betätigen sollte. Man darf sie sozusagen als „Grundversorger“ sehen. Ich hätte auch keine Sorge damit, dass man sie finanziell in geringen Teilen unterstützt. Aber die entstehenden Löcher im Haushalt gehen „auf keine Kuhhaut“ mehr. Sodass das Thema leider zur Disposition gestellt werden muss.
Wie bereits gesagt fehlt bis heute eine klare Erklärung, wie es zu diesen schlechten Zahlen kommen konnte. Ich persönliche stelle hierbei (besonders nach den früheren Diskussionen um die Schulstandorte) auch die Frage, ob es beim Bürgermeister überhaupt gewollt ist, dass die Sozialstation eine Zukunft hat.
Kommen wir in diesem Zusammenhang nochmal zurück zum Haushalt: Denn was passiert, wenn wir an dem „point of no return“ angekommen sind? Die Überschuldung!
In diesem Fall übernimmt die Kommunalaufsicht und dann wird dort geschraubt wo geschraubt werden kann. Freiwillige Leistungen werden radikal gekürzt. Das bedeutet, dass die Kommunalaufsicht uns die Sozialstation schließen wird, darüber hinaus die Bibliothek und vermutlich auch die Betreuungszeiten in den Kitas auf das gesetzliche Minimum kürzt. Darüber hinaus wird sie die Einnahmenseite erhöhen. Die Einnahmen kann die Gemeinde signifikant aber nur an einer Schraube verstellen: Die Gewerbesteuer.
Dieses „Worst-Case-Szenario“ müssen wir uns alle vor Augen führen und uns fragen, was wir wollen. Es gibt also nur die Lösung, dass man sich im Rathaus auf den Allerwertesten setzt und die Sozialstation in die grünen Zahlen bringt. Denn das ist absolut möglich und das ohne Einbußen von Qualität.
Kommen wir erneut zurück in die Sitzung, denn tatsächlich passierte dann historisches: Der Haushalt wurde einstimmig von allen anwesenden Ratsmenschen beschlossen! Der Ausblick jedoch sieht düster aus: Wir müssen ein Kataster für die Kanalisation anlegen, da die letzten Unwetter gezeigt haben, dass dort Herausforderungen bestehen, die schlimmstenfalls zur Überlastung unseres Klärwerks führt. Im Anschluss an dieses Kataster müssen Maßnahmen durchgeführt werden….
Ich sag’s nochmal: Es hätte uns gut getan sich darauf vorzubereiten!
So, an dieser Stelle möchte kurz festhalten, dass wir uns schon viel zu lange mit dem Haushalt beschäftigt haben. Aus diesem Grund ist jetzt erstmal Schluss für heute. Freut mich, dass Ihr nach so langer Zeit der Stille hier auf der Homepage bis hier hin gekommen seid. Danke und schön, dass Ihr da seid!
Edit am 19. März 22 Uhr:
In der ursprünglichen Fassung schrieb ich folgendes:
Fälschlicherweise meinte sie innerhalb der Rede zwar, dass 100.000 Euro wie gewünscht in die Sportstätten gingen, statt der tatsächlichen 50.000. Aber das ist Makulatur und darf gewiss mal passieren, bei aller Nervösität am Podium.
Bezogen auf die Haushaltsrede von Annika Ramke
Tatsächlich habe ich mich an dieser Stelle (scheinbar) verhört, Frau Ramke meinte für die kommenden zwei Jahre, also 50 k in diesem und weitere 50 k im Folgejahr.
5 Kommentare
Annika Ramke · 19. März 2022 um 17:02
Lieber Herr Heinisch,
zu der durchaus anschaulichen Beschreibung kann ich mir eins leider nicht verkneifen: ja, Nervosität ist bei so einer Rede ganz sicher vorhanden, die Zahlen habe och jedoch dennoch korrekt wiedergegeben. Ich sprach nämlich von 100.000€ für unsere Sportstätten in den nächsten beiden Jahren. 50.000€ in 2022 und 50.000€ in 2023, den das ist, was wir beschlossen haben. Bei aller Kritik, schlechte Vorbereitung will ich mir dann aber doch nicht nachsagen lassen😉
Viele Grüße
Torge Heinisch · 19. März 2022 um 20:58
Danke Dir für Deine Richtigstellung. Das habe ich dann vermutlich falsch rausgehört. Gern nehme ich das mit auf 🙂
Annika Ramke · 19. März 2022 um 21:04
Danke! War ja auch ziemlich viel zum zuhören am Donnerstag😉
Annika Ramke · 19. März 2022 um 17:05
Ergänzung: es sollte natürlich „ich“, nicht „och“ heißen und ich weiß selbstverständlich auch, wie man „denn“ schreibt 😉 mein Handy war schneller…
Torge Heinisch · 19. März 2022 um 21:06
Das kenne ich (insbesondere mit dem Handy) nur zu gut. Ich habe mir da inzwischen etwas Ruhe angetan. Wenn der Sinn zu erkennen ist, dann ist’s mir wurscht 😉